Oma on dope – Pervitin: Der Einsatz von Crystal Meth im Zweiten Weltkrieg

Wer den Roman »Hanna« gelesen hat, weiß bereits von Hannas Pervitinkonsum während ihres Einsatzes im Zweiten Weltkrieg. Und das ist keine Fiktion. Für mich als Enkelin war das erst mal eine Erkenntnis, die es zu schlucken galt: Oma hat eine »Drogenkarriere« hinter sich. Ein guter Grund also, sich mal etwas näher mit den Themen »on dope« und Crystal Meth zu befassen.

 

In diesem Blogbeitrag tauchen wir gemeinsam in den legalen Drogenkonsum der 1920er bis 1940er Jahre ein. Seid gespannt, was damals alles möglich war …

 

 

 

Schon während des Ersten Weltkriegs, wie auch in vielen vorhergehenden und folgenden Kriegen anderer Nationen, waren Drogen – 1914 bis 1918 insbesondere Kokain – ein bewährtes Mittel, um die Angst und Müdigkeit der Soldaten zu unterdrücken und ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Gegen Schmerzen wurde den Verwundeten breitflächig Morphium verabreicht. Mit der Folge, dass viele Kriegsheimkehrer als Süchtige nach Hause kamen. Nach Kriegsende waren die Substanzen zwar weiterhin als Medizin auf Rezept erhältlich, doch der Schmerz der Niederlage steigerte den Wunsch nach Betäubung derart, dass die Nachfrage nicht gedeckt werden konnte. So fand das Kokain der noch vollen Sanitätsdepots seinen Weg in den Schwarzmarkt, vor allem in die Berliner Nachtszene.

 

1929 wurde mit dem Deutschen Opiumgesetz, Vorläufer des heutigen Betäubungsmittelgesetzes, dem Zauber der Garaus gemacht. Künftig war der nichtmedizinische Konsum von Drogen illegal, das Verschreiben und die Abgabe dieser Betäubungsmittel eingeschränkt.

 

Dazu zählte allerdings nicht das Metamphetamin, heute bekannt als Crystal Meth oder Crystal Speed. Bereits Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Metamphetamin in Deutschland hergestellt. 1937 wurde die chemische Herstellung patentiert, ab 1938 wurde es unter dem Namen Pervitin als Massenware produziert und war rezeptfrei »für den Kreislauf und die Psyche« erhältlich. Es wurde zum Kassenschlager. Sogar Schokoladen und Pralinen wurden zeitweise mit Pervitin versetzt. Als »Hausfrauenschokolade« mit dem Slogan »Pervitin macht die Hausfrau fröhlich« fanden die Produkte reißenden Absatz.

 

 

 

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs entdeckte die Militärführung, dass der rege private Gebrauch des Pervitins die Soldaten zu Höchstleistungen brachte. Schnell wurde es großzügig an Fahrzeugkolonnen, Panzer- und Fliegereinheiten ausgegeben. Allein in der Zeit von April bis Juni 1940 soll die Wehrmacht verschiedenen Berichten zufolge 35 Millionen Tabletten vom Hersteller bezogen haben. Die Erfolge der Blitzkriege waren vermutlich nur möglich, weil die Soldaten größtenteils bis unter die Stahlhelme zugedröhnt waren.

 

Was man allerdings auch entdeckte: Es machte schnell süchtig. Der körperliche Verfall schritt bei regelmäßiger Einnahme zügig voran, weshalb auch Metamphetamin ab 1941 unter das Opiumgesetz fiel und nur noch auf Rezept erhältlich war. Das schmälerte den strategischen Einsatz der sogenannten »Panzerschokolade«, »Stuka-Tabletten«, »Hermann-Göring-Pillen« oder des »Fliegermarzipans« jedoch kaum. Selbst Mitarbeiter kriegswichtiger Betriebe erhielten die Droge. Die Einnahme wurde trotz diverser Testungen kaum medizinisch überwacht.

 

 

 

Auch Hanna und ihre Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen im Lazarett griffen irgendwann zu dem »Wundermittel«, um Doppel- und Dreifachschichten zu absolvieren, den Wahnsinn durchzuhalten und Unmögliches zu leisten.

 

 

 

Fakten zu Metamphetamin                                                                                                                 

Metamphetamin täuscht dem Körper eine Gefahrensituation vor und setz ihn deshalb unter Dauerstress. Eine erhöhte Herz- und Atemfrequenz sowie ein Anstieg der Körpertemperatur folgen. Müdigkeit, Angst, Hunger, Durst und Schmerzempfinden werden unterdrückt. Euphorie, Rededrang, Lustempfinden und Risikobereitschaft, Enthemmung nehmen zu.  Es können aber auch Nervosität, Aggressivität, Gewaltausbrüche, Panikattacken und Konzentrationsstörungen wahrgenommen werden. Die Folgen längerer Einnahme können unter anderem starker Gewichtsverlust, Tremor, Schwindel, Reizbarkeit, Halluzinationen, Depressionen, Wahnvorstellungen, Mundfäule, Zahn- und massive Organschäden sein.

 

 

 

Nach Kriegsende war Pervitin weiterhin auf Rezept erhältlich. In den 1950er Jahren wurde es beim Sport als Dopingmittel eingesetzt, in den 1960er Jahren nahm das Deutsche Militär die Droge erneut in seinen Ausrüstungsbestand auf. Erst 1988 wurde es vom Markt genommen.

 

 

 

Zum Pervitinkonsum von Hanna, aka meiner Oma, habe ich noch eine Anekdote im Nähkästchen. Die plaudere ich allerdings nur in meinen Workshops und Schülerbegegnungen aus. Vielleicht erfahrt ihr eines Tages davon. 😉

 

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